Allein auf weiter Flur – aber nicht einsam.

Auch wenn ich mich innerlich noch sehr dagegen wehre – der Sommer ist für dieses Jahr rum ums Eck. Es ist kalt und dunkel am Morgen, wenn der Wecker klingelt. Die Dusche kann gar nicht warm genug sein, die Wollsocken liegen wieder oben in der Strumpf-Kiste. Und ich trauere den warmen Tagen hinterher, an denen ich morgens in kurzen Hosen zur Kletterhalle geradelt bin, über die Isarbrücke, unter der die letzten Nachtschwärmer ihre heißen Füße in den Fluss hielten. Jetzt sind da nur noch Menschen mit Hund, die mit hochgezogenen Schultern unter ihren Kapuzen hervorlugen.

Wenigstens befinden sich an meinen Füßen knallorange (schwedische) Gummistiefel, die mich über den feuchten Boden tragen.

Noch letzte Woche war ich (teilweise auch kurzhosig und -ärmlig) mit dem Fahrrad unterwegs, 375 km von Berlin nach Dresden. Außer den 15 Regentropfen kurz vor Dresden hat sich der Herbst bemüht, noch so lange hübsch in seiner Schachtel zu bleiben, bis ich meine Sommeraktivitäten abgeschlossen habe. So war es dann auch: Am Sonntag in Dresden hat es schon ordentlich gekracht und geplätschert, und seitdem ist Herbst. Kann man quasi so sagen.

Eigentlich wollte ich aber nicht vom Wetter schreiben, sondern vom alleine Reisen. Diesen Sommer habe ich mich – das erste Mal in meinem Leben – fünf Wochen alleine durch die Welt bewegt. Knappe drei Wochen davon längs durch Schweden, von Kiruna ganz im Norden bis Stockholm. Hauptreisemittel war der Zug, genauer die Inlandsbahn zwischen Gällivare und Mora. Über 1000 km feinste Wald- und Wiesen-Einsamkeit. Noch nie zuvor – und das schiebe ich auf die Tatsache, dass ich nie zuvor ganz alleine unterwegs war – habe ich so viele Menschen getroffen. Menschen, die sich für die Reise interessieren, für Orte, die Dinge, die man so macht, was man vorhat, wo es hingehen soll, wo man herkommt. Noch nie zuvor war ich so sehr bereit, mich auf Geschehnisse einzulassen, mich ganz tief in ein Ereignis hineinfallen zu lassen, oder auch einfach zu akzeptieren, dass es so ist, wie es gerade ist (dass es nichts außer Apfel zum Abendessen gibt, zum Beispiel). Ich habe auch einige andere getroffen, die alleine unterwegs waren, und mit ihnen eine Erfahrung geteilt: Alleine Reisen ist exotisch. Sowohl in Schweden als auch auf den knapp 400 km zwischen Berlin und Dresden wird noch einmal nachgefragt, ob es wirklich ein Einzel- und kein Doppelzimmer sein soll, um welche Ecke die Begleitung gleich auftauchen wird, es wird sich vergewissert, ob man wirklich ganz alleine unterwegs ist. Ohne Unterhaltung, ohne Gepäckträger, ohne jemanden, der einen mal zum Essen einlädt, der die Route bestimmt, der Denken, Sprechen, Nachfragen übernimmt.

Es gab diesen ganzen Sommer keinen einzigen Moment, an dem ich mich beim Reisen nach gewohnter Gesellschaft gesehnt habe (Doch, einen vielleicht: als in Östersund das kleine Musikfestival war und ich statt mich alleine auf meine Picknickdecke zu setzen ins Kino gegangen bin), dafür aber jede Menge Momente, in denen ich beim Alleine sein glücklicher war als bei vielen Reisemomenten zuvor.

Klar, ich hatte vorher ein bisschen Schiss, ohne Begleitung unterwegs zu sein. Weniger in Schweden, dem sich so vertraut anfühlenden Land, mit seiner Sprache, die sich auf meiner Zunge sehr wohlfühlt – aber vielleicht schon ein ganz klein wenig beim Gedanken an einen platten Fahrradreifen in strömendem Regen irgendwo in Sachsen-Anhalt (was kein Problem war, da weder Platten noch Regen Wirklichkeit wurde).

Jetzt bin ich wieder zurück in der bayrischen Heimat, und freue mich, die gewohnte Umgebung um mich zu haben (auch wenn sie nass und grau ist) und zu einer Alltagsroutine zurück zu finden.

Und was das schöne daran ist: Diese Routine wird getragen von den Dingen, die mir dieser Sommer mitgegeben hat. Ganz vorne steht die Erkenntnis: BEIM ALLEINE SEIN IST NUR EINSAM, WER DAS AUCH WILL.

Weiteres (wieder) Gelerntes:
> Schlendern
> Beim nächsten Mal noch weniger Kleidung einpacken, und es wird dennoch ausreichend sein.
> Noch zu lernen ist: das mit der Kleidung ist eigentlich schon gelernt.

Hast du Erfahrungen mit dem alleine unterwegs sein?  Was empfiehlst du gegen einsame Momente? Was ist das Schöne am Alleinreisen, was das nicht so schöne?

4 Kommentare zu „Allein auf weiter Flur – aber nicht einsam.“

  1. Ich bin auch gerne mit mir allein und nie einsam und träume schon lange davon mit mir alleine zu verreisen und unabhängig alles in meinem Tempo zu tun und mich einfach ein bisschen nach meinen Stimmungen treiben zu lassen. Vielleicht pilgere ich mal zu Fuß, das würde mich tatsächlich reizen……

  2. Meine mama verreist fast nur allein. Sie hat mit 50 ein halbes jahr sprachurlaub in neuseeland gemacht und bei gasteltern gewohnt. An den wochenenden hat sie das land bereist. Sie hat so viel gesehen und tolle leute kennengelernt, mit denen sie teilweise noch immer befreundet ist. Ich war im sommer ein paar tage ganz allein in tokyo, sonst ist mein mann immer der planer auf unseren reisen, was auch toll und für mich bequem ist, weil ich mich nicht kümmern muss. In den tagen habe ich für mich entschieden, dass ich mich durch die stadt treiben lasse und schaue, wo’s mich hinverschlägt, das habe ich mal sehr genossen. Abends habe ich dann aber doch immer per facetime nach hause berichtet ;o)

    1. Liebe Anja, allein in Tokyo, puh, dahin muss ich erst noch kommen. Aber Japan steht ganz weit oben auf der Orte-Liste – und ich glaub ich will auch allein hin. Oder mit der perfekten Begleitung. Aber ob es die gibt?

      Liebe Grüße!
      Stefanie

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